Praxisanleitung: Todesfeststellung durchführen
Obwohl die Leichenschau in Deutschland laut Gesetz eine nicht delegierbare, rein ärztliche Tätigkeit ist, sind Kenntnisse auf dem Gebiet der Todesfeststellung auch für nicht ärztliches Personal im Sanitäts- und Rettungsdienst erforderlich. Sei es, um 'unnötige' Maßnahmen zu vermeiden, sei es, um notwendige Maßnahmen am vital bedrohten, aber schon 'tot wirkenden' Patienten nicht zu verzögern.
Abbildung: Piktogramm Todesfeststellung
Indikation
aus Pietätsgründen (Wahrung der Totenruhe) beim Vorliegen sicherer Todeszeichen
Material
-
Durchführung
Vorliegen wenigstens eines sicheren Todeszeichens klären:
Totenflecken
Totenstarre
Fäulnis (Autolyse)
Verletzung, die mit dem Leben nicht vereinbar ist
gegebenenfalls Auffälligkeiten am Leichenfundort (Giftbehältnisse, offene Strom führende Leitungen/Geräte, Gasquellen) dokumentieren
gegebenenfalls Auffälligkeiten am Leichenfundort, die auf kriminelles Delikt schließen lassen (Gewalteinwirkung, Tatwerkzeuge/Waffen, Fixerutensilien) an Polizei melden
gegebenenfalls Beweissicherung gewährleisten
Anmerkungen
Die Todesfeststellung ist primär eine ärztliche Aufgabe. Der Sanitäter, Rettungssanitäter oder Rettungsassistent/Notfallsanitäter darf bei Vorliegen eines der sicheren Todeszeichen den Tod zwar nicht formal feststellen und entsprechend dokumentieren, kann aber seine Maßnahmen situativ anpassen (in der Regel durch Unterlassen von Reanimationsversuchen), ohne juristische Konsequenzen befürchten zu müssen.
Das Auffinden einer Leiche ist keine zwingende Notarztindikation.
Unter den Bedingungen die im Rettungsdienst normalerweise herrschen kann die Feststellung von Totenflecken und Totenstarre schwierig sein, weil sie bis zum Eintreffen des Rettungsdienstteams oft nicht eindeutig ausgebildet sind. Bis zur Entstehung der ersten Totenflecken verstreichen zumeist 20 bis 30 Minuten, die Totenstarre tritt erst nach zwei bis drei Stunden nach dem Tod ein. Fäulnis, je nach Notfallort, nach einem oder einigen Tagen.
Die vitalen Funktionen können bei verschiedenen Verletzungen/Erkrankungen für einige Zeit auf ein Minimum eingeschränkt und durch einfache Untersuchung nicht mehr feststellbar sein (A-E-I-O-U-Regel nach BAHRMANN):
A - Alkoholvergiftung, Anoxämie (Kohlenmonoxidvergiftung), Anämie (Blutarmut, Blutmangel)
E - Epilepsie, Elektrounfall (inklusive Blitzschlag)
I - Injury (Verletzung, zum Beispiel Schädel-Hirn-Trauma, Polytrauma, Schock)
O - Opium (inklusive andere Betäubungsmittel, Narkotika oder Psychopharmaka)
U - Unterkühlung, Urämie und andere Stoffwechselkomata
Sind sichere Todeszeichen nicht eindeutig feststellbar, muss die Reanimation sofort begonnen werden.
Eine Rechtsklärung, inwieweit ein Patient auch Notfallsanitäter in Form einer schriftlichen Verfügung von einer Reanimation entbinden kann, ist derzeit nicht abschließend geklärt. Aktuell gilt, im Zweifelsfall mit Reanimationsmaßnahmen zu beginnen und diese erst bei entsprechender Entscheidung des Notarztes zu beenden.
Der Begriff 'Verletzungen, die mit dem Leben nicht vereinbar sind' ist differenziert zu betrachten und erlaubt nur in Einzelfällen die Todesfeststellung ohne Einleitung von Reanimationsversuchen. Äußerlich sichtbare schwerste Verletzungsmuster, die initial als nicht mit dem Leben vereinbar eingeschätzt werden, können bei adäquater Behandlung durchaus überlebt werden.
Die Trennung von Kopf und Rumpf oder Fragmentation des Körpers erfordern selbstverständlich keine Reanimationsbemühungen.
Besonders an Einsatzstellen möglicher Verbrechen muss darauf geachtet werden, dass unvermeidbare Veränderungen an der Leiche oder in der Umgebung dokumentiert und der Polizei mitgeteilt werden, sowie vermeidbare Veränderungen unterbleiben (zum Beispiel Öffnen/Schließen von Fenstern, Verstellen von Heizungen).
Von der Todesfeststellung zu unterscheiden ist die ärztliche Leichenschau, die der Ausstellung der Todesbescheinigung durch einen Arzt vorausgeht.