Praxisanleitung: Ganzkörperuntersuchung durchführen - Rettungsdienst
Ergibt sich im Rahmen der Beurteilung der Einsatzstelle der Verdacht auf eine Traumatisierung des Patienten, muss um lebensbedrohliche Verletzungen festzustellen im Rahmen des ABCDE-Schemas eine systematische Ganzkörperuntersuchung (von Kopf bis Fuß) durchführt werden.
Indikation
routinemäßig bei jedem traumatisierten Notfallpatienten
Material
Einmalschutzhandschuhe
Stethoskop
Durchführung
Patienten über geplante Maßnahme informieren
Patienten nach Möglichkeit vollständig entkleiden, dabei Gefahr der Auskühlung und Schamgefühl beachten
Kopf
Gesichtsschädel auf Blutung, Hämatome, Schwellung und Verletzung inspizieren
kompletten Kopf mit beiden Händen umfassen um Blutungen am Hinterkopf festzustellen
Schädel durch vorsichtiges Abtasten auf Stabilität und Schmerzen prüfen
Gehörgänge auf Blutungen (Liquoraustritt) kontrollieren
Hals auf Blutung, Hämatome, Schwellung und Verletzung inspizieren (Mittelstellung Trachea, Hautemphysem)
Thorax
Brustkorb auf Blutung, Hämatome, Schwellung und Verletzung (Symmetrie) inspizieren
Schultergürtel (Schlüsselbeine) durch vorsichtiges Abtasten von innen nach außen auf Stabilität, Schmerzen und Stufenbildung prüfen
Rippen und Brustbein durch vorsichtiges Abtasten von oben und der Seite auf Stabilität, Schmerzen und Stufenbildung prüfen
gegebenenfalls mit Stethoskop Atemgeräusche (rasselnd, stridorös, brodelnd, aufgehoben) prüfen
Sobald eine Instabilität des Brustkorbes festgestellt ist, unterbleibt jede weitere Untersuchung durch Abtasten.
Abdomen
Abdomen auf Blutung, Hämatome, Schwellung und Verletzung (Austritt von Organen oder Organteilen) inspizieren
Abdomen durch vorsichtiges Abtasten der vier Quadranten auf Abwehrspannung prüfen
gegebenenfalls mit Stethoskop Darmgeräusche (stark, hell-klingend, plätschernd, aufgehoben) prüfen
Becken
Becken auf Blutung, Hämatome, Schwellung und Verletzung inspizieren
Becken auf Zeichen von Rotationsfehlstellung, Verkürzung der unteren Extremitäten inspizieren
Abgang von Kot oder Urin prüfen
Extremitäten
Arme und Beine auf Blutung, Hämatome, Schwellung und Verletzung inspizieren
Arme und Beine durch vorsichtiges Abtasten auf Stabilität, Schmerzen und Stufenbildung prüfen
Sensibilität (kribbeln, gefühllos) und Beweglichkeit (Lähmung, Einschränkung) von Armen und Beinen prüfen
Rücken und Wirbelsäule
Rücken und Wirbelsäule auf Blutung, Hämatome, Schwellung und Verletzung inspizieren
Rücken und Wirbelsäule durch vorsichtiges Abtasten auf Stabilität, Schmerzen und Stufenbildung prüfen
Die Untersuchung des Rücken und Wirbelsäule muss bei Traumapatienten unter Schonung der Wirbelsäule in achsengerechter Drehung des Patienten erfolgen. Dabei ist der Kopf und Halswirbelsäule in Neutralposition mitzuführen.
Anmerkungen
Becken
Eine mechanische Stabilitätsprüfung des Beckens durch Abtasten von oben und der Seite wird nicht mehr empfohlen. Es können sich gerade gebildeten Thromben Lösen und es wird die potenziell lebensrettende Ruhigstellung des Beckens verzögert. Schmerzen im Bereich des Beckens können immer als Indiz für das Vorliegen einer Fraktur gewertet werden.
Mehr Informationen zur Ganzkörperuntersuchung finden sie in der Praxisanleitung Ganzkörperuntersuchung durchführen.
Literatur
Aa | U. Atzbach / U. Schweigkofler / C. Reimertz: Schwere Beckenverletzungen - Die Kompression des Beckens bei Traumapatienten: in Rettungsdienst April 2015, Seite 64 bis 67. |