Praxisanleitung: Basismaßnahmen bei Vergiftungen durchführen
Durch schnelles Eingreifen kann bei einer Vergiftung oftmals das Ausmaß der Schädigung an den lebenswichtigen Organen des Patienten gesenkt werden.
Abbildung: Gefahrensymbol Vergiftung
Indikation
Vergiftung
Material
-
Durchführung
Elementarhilfe durchführen
gegebenenfalls Giftentfernung (Dekontamination) durchführen
gegebenenfalls bei Gabe Gegengift (Antidot) assistieren
gegebenenfalls Giftreste und/oder Verpackung sicherstellen (Asservierung)
Transport durchführen
Anmerkungen
Bei Bedarf kann über die Rettungsleitstelle Kontakt zu einer Giftinformationszentrale hergestellt werden (München: 080 19240, Berlin: 030 19240). Diese kann Ratschläge zur Behandlung des Vergifteten erteilen.
Nicht nur bei Lebensmittelvergiftungen muss geklärt werden, ob beschwerdefreie Angehörige, etc. mit behandelt werden müssen.
Fünffingerregel
Die Fünffingerregel gibt ein allgemeines Versorgungsschema für alle Vergiftungen vor, aus dem sich alle allgemeinen und speziellen Maßnahmen ableiten lassen.
Abbildung: 5-Fingerregel bei Vergiftungen
Elementarhilfe
Durch sorgfältige Inspektion der Umgebung und Analyse der vorgefundenen Situation ist der Eigenschutz sicherzustellen.
Die meisten schweren Vergiftungen führen zu Störungen der Vitalfunktionen, deshalb sind Bewusstsein, Atmung und Kreislauf unabhängig von Giftstoff, Giftmenge und Aufnahmeweg zu überprüfen, zu sichern und gegebenenfalls wieder herzustellen. Daneben ist der Patient zustandsgerecht zu lagern.
Wenn möglich sollten die Helfer versuchen sicherzustellen, das der Patienten kein weiteres Gift aufnehmen kann.
Giftentfernung (Dekontamination)
Am Notfallort spielt heute in der Regel nur die Entfernung des reinen Giftes, bevor dieses in den Blutkreislauf aufgenommen wird (primäre Giftentfernung), eine Rolle.
Je nach Giftaufnahmeweg unterscheidet man verschiedene Methoden der Giftentfernung:
Aufnahme über Magen-Darm-Trakt (oral)
Hilfe beim Erbrechen
Gabe von Aktivkohle durch Notarzt
Bis zur Mitte der 1990er Jahre, galt eine Entleerung des Magens bereits am Notfallort als die wichtigste Behandlung bei oraler Giftaufnahme. Heute wird die risikobehaftete Magenspülung nur bei klarer Anamnese und nach strenger Abwägung durch den Notarzt im seltenen Einzelfall durchgeführt.
Das in der Vergangenheit empfohlene provozierte Erbrechen durch mechanische Reize oder Medikamente ist sehr komplikationsträchtig und kommt deshalb in der Regel nicht mehr zur Anwendung.
Aufnahme über Luftwege (Inhalation)
Retten aus vergifteter Atmosphäre
Hypervertilation mit 100 % Sauerstoff
Bei Vergiftungen mit gasförmigen Stoffen muss immer an den Schutz der Retter und an mögliche Explosionsgefahr gedacht werden. Schleichende Giftgasquellen erfordern eine Evakuierung der umliegenden Bevölkerung.
Aufnahme über Gefäßsystem
Giftentfernung am Notfallort nicht möglich. Gegebenenfalls Voranmeldung nephrologische Intensivstation über Rettungsleitstelle organisieren.
Aufnahme über Haut
Entfernung kontaminierter Kleidung
Reinigung kontaminierter Hautpartien mit lauwarmen Wasser
Bei Augenspritzern muss das betroffene Auge sofort gespült werden.
Gegengift (Antidot)
Bei einigen Giftstoffen stehen spezifische Gegengifte zur Verfügung, die eine gezielte Behandlung der Vergiftung ermöglichen. Für die meisten Gifte fehlen jedoch Antidote, so dass nur eine unspezifische, den Vergifungssymptomen entsprechende Therapie durchgeführt werden kann.
Nach Gabe eines Gegengiftes durch den Notarzt muss der Patient kontinuierlich überwacht werden, da die Wirkungsdauer vieler Antidote kürzer ist als die des verwendeten Giftes und sich sehr schnell Entzugssymptome entwickeln können.
Asservierung
Die Asservierung dient der Einschätzung der aufgenommen Giftmenge und genauen Identifizierung des Giftstoffes bei einer späteren labortechnischen Untersuchung. Nützlich sein können Erbrochenes, Substanzreste an Gläsern und Urin. Darüber hinaus sind herumliegende Verpackungsreste sicherzustellen.
Wenn möglich sind bei der Anamnese Antworten auf die folgenden W-Fragen in Erfahrung zu bringen:
Welches Gift wurde aufgenommen (Handelsname, Wirkstoff, etc.)?
Wann wurde das Gift aufgenommen (Datum und Uhrzeit)?
Wie wurde das Gift aufgenommen (Aufnahmeweg)?
Wie viel Gift (Menge und Konzentration) wurde aufgenommen?
Warum wurde das Gift aufgenommen?
Wer hat das Gift aufgenommen?
Niemals blind in die Taschen eines Drogenabhängigen greifen, zum Beispiel auf der Suche nach Verpackungen oder Giftresten, um die Gefahr einer Nadelstichverletzung zu vermeiden.
Transport
Der Transport des vergifteten Patienten sollte mit großzügiger Notarztindikation unter Voranmeldung in eine Klinik mit internistischer Intensivstation erfolgen.
Arbeitstechnik in Bildern
Abbildung: Basismaßnahmen Vergiftungen durchführen - Schritt 1 | Elementarhilfe durchführen |
Abbildung: Basismaßnahmen Vergiftungen durchführen - Schritt 2 | gegebenenfalls Giftentfernung (Dekontamination) durchführen |
Abbildung: Basismaßnahmen Vergiftungen durchführen - Schritt 3 | gegebenenfalls bei Gabe Gegengift (Antidot) assistieren |
Abbildung: Basismaßnahmen Vergiftungen durchführen - Schritt 4 | gegebenenfalls Giftreste und/oder Verpackung sicherstellen (Asservierung) |
Abbildung: Basismaßnahmen Vergiftungen durchführen - Schritt 5 | Transport durchführen |