Praxisanleitung: Abbindung durchführen
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Die Abbindung dient zur Blutstillung bei arteriellen Verletzungen und größeren venösen Blutungen, die durch Druck auf die verletzten Gefäße im Bereich der Wunde nicht gestillt werden können.
Die Abbindung oder das Anlegen eines Tourniquets gilt in diesen selten Fällen als Ultima Ratio. [1]
Indikation
Erfolglosigkeit einer weniger invasiven Maßnahme zur Blutstillung (manuelle Kompression, Druckverband) einer starken, unmittelbar lebensbedrohlichen Blutung an einer Extremität
Kompression und Druckverband bei stark blutenden Extremität wegen Fremdkörper oder offener Fraktur nicht durchführbar
nicht Erreichbarkeit einer stark blutenden Extremität (zum Beispiel eingeklemmter Patient)
starke Blutungen bei gleichzeitiger anderweitige lebensbedrohlich verletzten Patienten
Eigengefährdung oder mehreren schwerverletzten Patienten (zum Beispiel Industrieunfall, Terroranschlag)
Material
Einmalschutzhandschuhe
Blutdruckmanschette
Dreiecktücher
Knebel
Gummiband
Tourniquet
wasserfester Schreibstift
Durchführung
Die folgenden Durchführungsvorschläge beschreiben die Technik mit verschiedenen Material:
Anmerkungen
Blutungsstillende Maßnahmen
Stufenschema
Es sollte primär versucht werden, aktive Blutungen durch manuelle Kompression und Hochlagerung der Extremität zum Stillstand zu bringen.
Anschließend sollte ein Druckverband angelegt werden. Ist dieser nicht ausreichend, sollte über dem ersten die Anlage eines zweiten Druckverbandes erfolgen.
Bei weiter bestehender Blutung sollte ein Abbindung angelegt werden.
Abbildung: Stufenschema Blutstillung
Sofern noch nicht geschehen, muss die Wunde der Extremität mit einem Verband versorgt und regelmäßig auf Durchbluten kontrolliert werden. Eine Bewegung der betroffenen Extremität kann zur Lockerung der Abbindung führen. Bei Bedarf den Zug erhöhen oder im Zweifelsfall ein weitere Abbindung körpernah zur ersten anlegen. [2]
Bei angelegter Abbindung ist die Blutversorgung der nachfolgenden Extremität unterbunden, so dass es zu Weichteil- und Nervendefekten kommen kann. Die Anwendung einer Abbindung soll nur so lange wie nötig erfolgen, um Gewebe- und Nervenschädigungen zu vermeiden.
Primäre Abbindung
Eine Abbindung einer Extremität sollte sofort durchgeführt werden bei:
Amputationsverletzung oder Teilabriss einer Extremität
lebensgefährlichen Blutungen / multiplen Blutungsquellen an einer Extremität
schwerer Blutung an Extremitäten bei gleichzeitigem kritischen A-, B- oder C-Problem
Unmöglichkeit der Blutstillung durch andere Maßnahmen (zum Beispiel Fremdkörper in der Wunde oder großflächige, zerfetzte Wunde)
bedrohlichen Blutungen an Extremitäten bei Zeitdruck unter Gefahrensituationen
Nichterreichbarkeit der eigentlichen Verletzung (zum Beispiel eingeklemmte Person)
mehreren Verletzten mit bedrohlichen Blutungen (zum Beispiel Massenanfall von Verletzten - MANV)
Versorgung einer Extremitätenverletzung bei Dunkelheit
Komplikationen
vermehrte Blutung bei falscher Anlage
starke Schmerzen
Haut-, Muskel und Nervenschäden
Anlage über Gelenken oder Knochenbrüchen
Embolie nach Öffnen
Schmerzen
Um den arteriellen Blutfluss zu unterbinden, ist ein beachtliches Maß an Kraft erforderlich. Dies ist sehr schmerzhaft für den Patienten und bedarf unbedingt einer ausreichenden Schmerztherapie. [3]
Die Schmerzen des Patienten müssen adäquat bekämpft werden, sie dürfen in der Akutsituation aber keinesfalls dazu führen, dass die Abbindung nicht durchgeführt wird. Ein Notarzt ist daher zur Schmerzbekämpfung, aber auch zur Schockbekämpfung aufgrund der bedrohlichen Blutung, unbedingt nachzufordern. Ein angelegte Abbindung wird nur nach Rücksprache mit dem Notarzt entfernt. [4]
Behelfsmaterial
Zum Abbinden darf nur Material verwendet werden, das nicht einschneidet. Verboten ist der Gebrauch von einschnürenden Material, wie Bindfaden, Schuhbänder oder Telefondraht, da dieses unheilbare Schäden und unnötige Schmerzen verursacht.
Eine Abbindung mit Behelfsmaterial (Dreiecktuch, Blutdruckmanschette) hat allenfalls noch Bedeutung im Bereich der Ersten Hilfe und kommt wegen der potenziellen Gefahren im Sanitätsdienst und Rettungsdienst nicht zum Einsatz. Wenn möglich sollte auf die Verwendung von Behelfsmaterial verzichtet werden und ein kommerzielles Tourniquet zum Einsatz kommen.
Informationen zu weniger invasiven Maßnahmen finden sie in der Praxisanleitung Bedrohliche Blutung stoppen.
Literatur
[1] | Atzbach, Ulrich / Hündorf, Hans-Peter / Lipp, Roland (Hg.): Notfallsanitäter upgrade: Edewecht: 2014, 3.2.4.4 Lebnesbedrohliche Blutungen stillen, Seite 328. |
[2] | Deutsches Rotes Kreuz (Hg.): DRK Leitfaden Sanitätsdienstausbildung (2009): 5. Aufl.Berlin: 2018, Praxisanleitungen 'P52: Anlegen eines Tourniquets', Seite 3. |
[3] | Stöhr, Andreas / Hoßfeld, Björn: Fortbildung: Das <C>ABCDE: in Rettungsdienst Mai 2018, Seite 74. |
[4] | Deutsches Rotes Kreuz (Hg.): DRK Leitfaden Sanitätsdienstausbildung (2009): 5. Aufl.Berlin: 2018, Praxisanleitungen 'P52: Anlegen eines Tourniquets', Seite 2 und 4. |
Diese Seite wurde am 2024-03-30 19:13 erstellt. Text und Bilder sind unter der Creative Commons-Lizenz 'Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen' frei verfügbar. Kommentare senden Sie bitte an Andreas THUMSER oder über Facebook. Die Virtuelle San-Arena Erlangen ist ein THUMSi-Tool (Startseite, Impressum). |