BRK-Logo

Virtuelle San-Arena Erlangen

Praxisanleitung: Schockform zuordnen

Um den verschiedenen Ursachen des Symptoms 'Schock' für den Notfall Rechnung zu tragen, wurden die Schockformen neu gegliedert. Diese Einteilung erlangte durch eine Veröffentlichung im Deutschen Ärzteblatt im November 2018bundesweit Gültigkeit. Die Nomenklatur soll die zielgerichtete Behandlung des Schocks im präklinischen und klinischen Bereich erleichtern, wobei sich innerhalb der jeweiligen Schockgruppe einheitliche Therapiemaßnahmen festlegen lassen.

Abbildung: Piktogramm Schockformen

Indikation

Material

-

Durchführung

Auch wenn alle Schockformen ähnliche Symptome zeigen und unbehandelt letztendlich in einem Multiorganversagen als Folge des gravierenden Missverhältnisses zwischen Sauerstoffangebot und Sauerstoffbedarf münden, ist die Zuordnung im Sanitätsdienst und Rettungsdienst notwendig, um die entsprechenden unterschiedlichen therapeutischen Maßnahmen abzuleiten.

 

Die gelisteten Maßnahmen sind nur allgemeine Hinweise und mit den Maßnahmen zur Versorgung des dem Schock zugrundeliegenden Notfalls abzustimmen. Zum Beispiel ist ein Patient mit starkem Blutverlust nach einem Messerstich in die Lunge bei schwerer Atemnot nicht in 'Schocklage', sondern in 'Rückenlage - Atemnot' zu lagern.

Anmerkungen

Begrifflichkeit Schockformen

Abbildung: Begrifflichkeit Schockformen

 

Das Bild links zeigt eine Übersicht und Gegenüberstellung der vier Schockformen (weißer Kreis) mit primär betroffenen Organsystemen (äußere Ecken) sowie die auslösenden, krankhaften Veränderungen (äußerer blau-roter Kreis).

Die Abbildung ist eine auf die Virtuelle San-Arena Erlangen angepasste Version der Grafik 1 der Veröffentlichung im Deutschen Ärzteblatt.

Volumenverlust: Hypovolämischer Schock

Definition

Massiver, lebensbedrohlicher Verlust des im Kreislauf zirkulierenden Volumens aus verschiedenen Ursachen.

Der Hypovolämische Schock unterteilt sich in vier Untergruppen

  • Hämorrhagischer Schock

  • Traumatisch-Hämorrhagischer Schock

  • Hypovolämischer Schock

  • Traumatisch-Hypovolämischer Schock

Häufigkeit

Etwa 30 Prozent der Patienten mit Schock erleiden einen Hypovolämischem Schock.

Hämorrhagischer Schock

Definition

Massiver, lebensbedrohlicher Blutverlust durch direkte Blutgefäßverletzung ohne wesentliche Gewebeschädigung.

Beispiele

  • arterielle Stich- oder Schnittverletzung

  • stark blutendes Magengeschwür

  • stark blutende Ösophagusvarizen

  • stark blutende Krampfader am Bein

  • starke Blutung nach Hals-Nasen-Ohren-Eingriff

  • Ruptur eines Aortenaneurysma

  • starke Blutung in der Geburtshilfe

Traumatisch-Hämorrhagischer Schock

Definition

Massiver, lebensbedrohlicher Blutverlust durch ausgedehnte Gewebeschädigung und zusätzlicher Freisetzung von Aktivatoren des Immunsystems.

Beispiele

  • Polytrauma

  • großflächige Quetschwunde (zum Beispiel Hüfte, Oberschenkel)

Hypovolämischer Schock

Definition

Kritischer, lebensbedrohlicher Verlust des zirkulierenden Plasmavolumens ohne akute Blutung.

Beispiele

  • verminderte Wasseraufnahme (zum Beispiel Abnahme Durstgefühl, Demenz)

  • vermehrter Flüssigkeitsverlust (zum Beispiel massiver Durchfall, anhaltendes Erbrechen, krankhaft erhöhte Urinausscheidung, übermäßige Ansammlung von Flüssigkeit in der Bauchhöhle)

Traumatisch-Hypovolämischer Schock

Definition

Kritischer, lebensbedrohlicher Verlust des zirkulierenden Plasmavolumens durch ausgedehnte Gewebeschädigung und zusätzlicher Freisetzung von Aktivatoren des Immunsystems.

Beispiele

  • großflächige Verbrennung

  • großflächige Verätzung

Volumenverschiebung: Distributiver Schock

Definition

Lebensbedrohliche Störung der Verteilung des zirkulierenden Volumens aus verschiedenen Ursachen.

Der Distributive Schock unterteilt sich drei Untergruppen

  • Septischer Schock

  • Anaphylaktischer und Anaphylaktoider Schock

  • Neurogener Schock

Häufigkeit

Etwa 60 Prozent der Patienten mit Schock erleiden einen Distributiven Schock. Er stellt damit die häufigste Schockform dar.

90 Prozent der Patienten mit Distributiven Schock sind an einer Sepsis erkrankt (etwa 150 000 Patienten in Deutschland im Jahr). Der Rest verteilt sich etwa gleich auf anaphylaktische und neurogene Schockgeschehen.

Septischer Schock

Definition

Lebensbedrohliche Verschiebung des Volumens in erweiterte Blutgefäße und durch erhöhte Durchlässigkeit der Blutgefäße ins Gewebe als Folge einer systemischen Entzündungsreaktion als Reaktion auf eine Infektion.

Beispiele

  • Lungenentzündung (Pneumonie)

  • Hirnhautentzündung (Meningitis)

  • Herzmuskelentzündung (Myokarditis)

Anaphylaktischer und Anaphylaktoider Schock

Definition

Lebensbedrohliche Verschiebung des Volumens durch Allergene ins Gewebe durch erhöhte Durchlässigkeit der Blutgefäße mit (anaphylaktisch) beziehungsweise ohne (anaphylaktoid) Beteiligung von Immunglobulin E (IgE).

Beispiele

  • Wespenstich (anaphylaktisch)

  • Erdnüsse (anaphylaktisch)

  • Röntgenkontrastmittel (anaphylaktoid)

Neurogener Schock

Definition

Lebensbedrohliche Verschiebung des Volumens in erweiterte Blutgefäße durch ein Ungleichgewicht zwischen sympathischer und parasympathischer Regulation der glatten Gefäßmuskulatur.

Beispiele

  • Wirbelsäulentrauma

  • Hirnstammtrauma

  • Hirnhautentzündung (Meningitis)

  • Hirnblutungen

  • vegetativer Stress

Auswurfschwäche: Kardiogener Schock

Definition

Lebensbedrohliche Verminderung der Auswurfleistung des Herzens.

Häufigkeit

Etwa 10 Prozent der Patienten mit Schock erleiden einen Kardiogenen Schock.

Beispiele

  • akuter Herzinfarkt

  • schwere Herzmuskelentzündung (Myokarditis)

  • akute, schwere Herzklappenfehler

  • schwere Rhythmusstörungen

Auswurfblockade: Obstruktiver Schock

Definition

Lebensbedrohliche Verengung beziehungsweise mechanische Behinderung des Kreislaufsystems.

Häufigkeit

Nur etwa ein Prozent der Patienten mit Schock erleiden einen Obstruktiven Schock.

Beispiele

  • schwere Lungenembolie (Verengung des arteriellen Lungenkreislaufes)

  • Spannungspneumothorax (Verengung der großen Hohlvene)

  • Herzbeuteltamponade (Behinderung des rechten Herzens)

  • Vena-Cava Kompressionssyndrom

  • großer Tumor innerhalb des Bauchraumes

 

Vergleich der Schockformen

Nomenklatur Deutsches Ärzteblatt

klassische Schockformen

  • Volumenverlust:

    Hypovolämischer Schock

  • Volumenmangelschock

  • Volumenverschiebung:

    Distributiver Schock

  • Anaphylaktischer Schock

  • Septisch-Toxischer Schock

  • Neurogener Schock

  • Auswurfschwäche:

    Kardiogener Schock

  • Kardiogener Schock

  • Auswurfblockade:

    Obstruktiver Schock

keine eigenständige Schockform

Literatur

Aa

Bundes­ärzte­kammer (Hg.): Deutsche Ärzteblatt 45/2018 - Nomenklatur, Definition und Differenzierung der Schockformen(abgerufen 2019-02-05).

Aa

Redaktion: Cool! Neue Definition der Schockformen ...: in Rettungsdienst Dezember 2018, Seite 13.

Aa

Dressen, Stefan: Schock und Schockformen - Hinweise zu Definition und Therapie: in Rettungsdienst Februar 2019, Seite 62 bis 67.

Arbeitstechnik in Bildern

Abbildung: Schockform zuordnen - Schritt 1

Patienten auf allgemeine Schockzeichen untersuchen:

  • fahle Blässe

  • kalte, feuchte Haut

  • kalter Schweiß auf der Stirn

  • Patient friert (eventuell Zittern)

  • Patient wirkt ängstlich und unruhig, später teilnahmslos

  • schneller und schwächer werdender, schließlich kaum tastbarer Puls (häufig über 100 1/min)

  • Absinken des systolischen Blutdrucks (häufig unter 100 mmHg)

  • Blaufärbung der Lippen (Zyanose)

Abbildung: Schockform zuordnen - Schritt 2

Hauptursache Volumenverlust: Hypovolämischen Schock behandeln

Abbildung: Schockform zuordnen - Schritt 3

Hauptursache Volumenverschiebung: Distributiven Schock behandeln

Abbildung: Schockform zuordnen - Schritt 4

Hauptursache Herzschwäche: Kardiogenen Schock behandeln

Abbildung: Schockform zuordnen - Schritt 5

Hauptursache Kreislaufblockade: Obstruktiven Schock behandeln